Elke S. ist seit 1995 bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) beschäftigt und seit zwei Jahren im Bereich der zwischenstaatlichen Sozialversicherung tätig. Ihr Faible für die zwischenstaatliche Sozialversicherung und warum gerade dieser Bereich herausfordernd und spannend zugleich ist, beschreibt sie im Gespräch.
Was versteht man unter zwischenstaatlicher Sozialversicherung?
Im Bereich der zwischenstaatlichen Sozialversicherung kümmern wir uns um grenzüberschreitende Tätigkeiten.
Wir prüfen beispielsweise, ob eine Person, die in Österreich arbeitet und eine weitere Tätigkeit in Deutschland aufnimmt, weiterhin in Österreich versichert bleiben kann. Wenn nicht, ist diese Person mit sämtlichen ihrer Tätigkeiten in Deutschland zur Sozialversicherung anzumelden. Das bedeutet, dass wir darüber entscheiden, in welchem Staat eine Person, die vorübergehend oder regelmäßig grenzüberschreitende Tätigkeiten erbringt, zu versichern ist.
Wir informieren die ausländischen Sozialversicherungsträger über unsere Entscheidung und händigen der betroffenen Person eine Bescheinigung PD A1 über unsere Festlegung aus. Damit sorgen wir dafür, dass eine Person immer in nur einem einzigen Land versichert ist und auch nur in einem Land Sozialversicherungsbeiträge entrichtet. Wir sichern die Leistungsansprüche dieser Personen und gewährleisten, dass Versicherungszeiten in anderen Ländern bei der Berechnung von Leistungen berücksichtigt werden.
"Durch die gestiegene Mobilität der Arbeitskräfte ist die rasche Klärung der anzuwendenden Rechtsvorschriften sehr wichtig. Dadurch wird sichergestellt, dass eine Person ausschließlich in einem Land versichert ist und nur in diesem Sozialversicherungsbeiträge entrichtet werden."
Mag. Georg Sima, MSc MBA
Generaldirektor-Stellvertreter der ÖGK
Warum hast du dich für dieses Aufgabengebiet in der ÖGK entschieden?
Der internationale Aspekt hat mich von Anfang an fasziniert. Menschen, die in verschiedenen Staaten ihrer Arbeit nachgehen, sind oft mit Regelungen konfrontiert, die nicht immer einfach zu verstehen sind. Diesen Menschen weiterhelfen zu können, finde ich äußerst spannend.
Gibt es in diesem Bereich spezielle Herausforderungen?
Die Arbeit ist sehr abwechslungsreich und auch fordernd. Wir haben oft mit Verständnisschwierigkeiten zu tun, da benötigt es viel Feingefühl, um so manchen Knoten wieder lösen zu können.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei dir aus?
Mein Arbeitstag startet mit einer großen Tasse Kaffee. Danach prüfe ich, ob die Anträge auf Festlegung der anzuwendenden Rechtsvorschriften, die in der Nacht eingelangt sind, auch verlässlich verarbeitet wurden. Dank unserer Softwarelösung können wir ein vollautomatisiertes Service rund um die Uhr, 7x24, anbieten.
Im Anschluss schaue ich mir an, was die ausländischen Sozialversicherungsträger uns geschickt haben. Das können Festlegungen, Anfragen oder Antworten auf Anfragen sein.
Es kommt auch immer wieder vor, dass ausländische Sozialversicherungsträger unsere Festlegungen ablehnen. Dann müssen wir deren Argumente prüfen und versuchen die Situation aufzulösen. Dazu ist es manchmal notwendig, mit der Dienstgeberin bzw. dem Dienstgeber oder der betroffenen Person in Kontakt zu treten und weitere Informationen einzuholen. Hin und wieder ist die Situation so verfahren, dass wir uns die Unterstützung unseres Juristischen Dienstes holen. Besonders schwierige Fälle werden einmal pro Woche in einem eigenen Gremium diskutiert und es wird nach Lösungen gesucht.
Im Zusammenhang mit der ÖGK fällt oft der Begriff "Verlässlichkeit". Was heißt das für dich?
Für jemanden da zu sein, wenn es darauf ankommt.
Im Rahmen der Digitalisierungsinitiative der ÖGK erfolgen einige Prozesse in der zwischenstaatlichen Sozialversicherung bereits vollautomatisch. Welche sind das?
Die Anträge auf Festlegung der anzuwendenden Rechtsvorschriften werden vollautomatisch bearbeitet. Dabei geht es um Lebenssituationen, in denen beschäftigte Personen für ihre Dienstgeberin bzw. ihren Dienstgeber vorübergehend ins Ausland entsendet werden, aber auch um Personen, die in verschiedenen Ländern eine oder mehrere Tätigkeiten ausüben. Auch Anfragen ausländischer Sozialversicherungsträger in Bezug auf Versicherungszeiten werden vollautomatisch verarbeitet.
Wie werden die Anträge übermittelt?
Wir erhalten diese Anträge von den Dienstgeberinnen und Dienstgebern hauptsächlich über den elektronischen Datenaustausch mit den österreichischen Sozialversicherungsträgern (ELDA). Personen, die in mehreren Staaten mehrere Tätigkeiten ausüben, müssen diese Anträge selbst stellen. Für sie bieten wir auf unserer Internetseite Formulare als PDF-Dokumente an. Seit Juli 2023 stehen diesen Personen auch Online-Anträge zur Verfügung.
Von wie vielen Anträgen sprechen wir?
Insgesamt verarbeiten wir jährlich rund 125.000 Anträge auf Festlegung der anzuwendenden Rechtsvorschriften. Dazu kommen noch die Festlegungen ausländischer Sozialversicherungsträger, die geprüft und verarbeitet werden müssen.
Wie schnell erhält man die Bescheinigung PD A1?
Wenn der Antrag auf Festlegung der anzuwendenden Rechtsvorschriften vollständig ausgefüllt ist, erhält die Antragstellerin bzw. der Antragsteller die Entscheidung innerhalb einer Stunde.
Wenn du siehst, wohin es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in anderen Unternehmen beruflich "verschlägt", wäre das auch für dich vorstellbar? Oder fängt man da gar zum Träumen an?
Natürlich regt es meine Fantasie an, wenn ich sehe, in welche Länder manche Menschen entsendet werden. Auf der anderen Seite sind wir aber kein Reisebüro. Die Menschen fahren nicht in den Urlaub, sondern müssen Montagearbeiten erledigen, auf Messen arbeiten oder Güter quer durch ganz Europa transportieren. Da sind Gedankenspiele zwischendurch nett. Am Ende des Tages bin ich aber froh, hier zu sein.
Service und Unterstützung |
Gut zu wissen: Bescheinigung PD A1
Eine Festlegung der anzuwendenden Rechtsvorschriften ist immer dann erforderlich, wenn
- Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer vorübergehend in einem anderen Staat tätig werden (Entsendungen) oder
- Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer gewöhnlich in mehreren Staaten tätig sind
(Kollisionsfälle).
Die Entscheidung, welche Rechtsvorschriften anzuwenden sind, wird vom zuständigenSozialversicherungsträger in Form der Bescheinigung PD A1
übermittelt.
Die Bescheinigung PD A1 bringt zwei wese ntliche Vorteile:
- Sie dient als Grundlage für eine korrekte Abrechnung.
- Sie dient bei einer Kontrolle als Nachweis, welcher Staat für die Sozialversicherung zuständig ist.
Autorin: Rosa Maria Mennel/ÖGK