Sachverhalt: Einem Unternehmen werden nach Abschluss einer Gemeinsamen Prüfung von Lohnabgaben und Beiträge (GPLB) mittels Nachtragsrechnung Beiträge vorgeschrieben. Der Dienstgeber verlangt deshalb einen Bescheid über die zu zahlenden Beiträge. Ist er deswegen verpflichtet, nochmals Einsicht in die Firmenunterlagen zu gewähren oder zusätzliche Auskünfte zu erteilen?
Die bisher zu dieser Thematik ergangene Rechtsprechung lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Die Dienstgeberin bzw. der Dienstgeber hat sowohl eine Auskunftspflicht nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) als auch eine Mitwirkungspflicht im Sinne des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG).
Auskunftspflicht
Gemäß § 42 Abs. 1 ASVG haben auf Anfrage des Versicherungsträgers die Dienstgeberinnen und Dienstgeber "längstens binnen 14 Tagen wahrheitsgemäß Auskunft über alle für das Versicherungsverhältnis maßgebenden Umstände zu erteilen. Weiters haben sie den gehörig ausgewiesenen Bediensteten der Versicherungsträger während der Betriebszeit Einsicht in alle Geschäftsbücher und Belege sowie sonstigen Aufzeichnungen zu gewähren, die für das Versicherungsverhältnis von Bedeutung sind."
Grundsätzlich gilt: Für die Durchführung der GPLB sind die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO) heranzuziehen. Diese besagen, dass eine "Wiederholungsprüfung“ nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist.
Verfahren nach dem AVG
Aber: Mit dem zu Beginn erwähnten Bescheidantrag des Dienstgebers wurde ein Verfahren nach dem AVG ausgelöst. Für dieses gelten unter anderem folgende Grundprinzipien:
- Pflicht zur Ermittlung der materiellen Wahrheit,
- Parteiengehör,
- freie Beweiswürdigung,
- Unbeschränktheit der Beweismittel.
Als Beweismittel kommt somit alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Die den Bescheid beantragende Person hat keine Möglichkeit, die Wahl der noch heranzuziehenden Beweismittel zu beschränken. Ebenso kann der eingangs erwähnte Dienstgeber die Überprüfung des mit der Beitragsnachverrechnung festgehaltenen Sachverhaltes weder in eine bestimmte Richtung lenken, noch Ermittlungen zu diesem Sachverhalt ausschließen oder beschränken.
Die Sozialversicherungsträger sind - auch unter Berücksichtigung der Sozialversicherungsgesetze auf rationelle Gestaltung der Massenverfahren nach diesen Gesetzen - verpflichtet, den maßgebenden Sachverhalt in ausreichendem Maße festzustellen. (VwGH 10.06.2009, 2007/08/0033)
Auswirkungen und Folgen
Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) hat daher (im Rahmen ihrer auf einen Bescheidantrag folgenden Prüfung) das Recht, weitere Ermittlungen durchzuführen. Sie kann also eine nochmalige Einsicht in die Unterlagen verlangen.
Da im Sozialversicherungsverfahren Ansprüche Dritter berührt werden, ist ein Schutz der Dienstgeberin bzw. des Dienstgebers vor zusätzlichen Erhebungen der ÖGK nach erfolgter GPLB vom Gesetz her nicht gewollt und auch nicht sachgerecht.
Daraus ergibt sich, dass ergänzende Ermittlungen für ein etwaig zu führendes Bescheidverfahren nach dem Ende einer GPLB gesetzlich gedeckt sind.
Darüber hinaus verbietet es weder das ASVG noch das AVG, im Zusammenhang mit der Bescheiderlassung eine Überprüfung der Sachverhaltselemente vorzunehmen.
In einem Bescheidverfahren nach dem AVG ist es zudem notwendig, andere Prioritäten zu setzen als im Rahmen einer GPLB.