Herr Kraxner, Sie waren über 30 Jahre in der Flugrettung tätig. Während der gesamten Zeit als Pilot. Wann haben Sie sich dazu entschieden ihren Arbeitsort in die Luft zu verlegen?

Kraxner: Der Wunsch ist schon sehr früh entstanden, eigentlich im Alter von fünf Jahren. Zusammen mit meinen Brüdern durften wir immer wieder unseren Vater auf den Segelflugplatz in Aigen im Ennstal begleiten und damals hatte ich den ersten Kontakt zu den dort bereits stationierten Hubschraubern des Bundesheeres. Mit 15 Jahren habe ich bereits mit dem Segelflug begonnen und dann das Glück gehabt die fliegerische Selektion als Militärpilot schaffen zu können. Ab 1985 war ich dann beim Bundesheer in der Flugrettung in Aigen im Ennstal tätig. 1992 bin ich dann zum ÖAMTC gewechselt, weil ich gemerkt habe, dass Flugrettung meine Leidenschaft ist.


Was hat sich über die Jahre in der Flugrettung grundlegend verändert? 

Kraxner: In Ergänzung zu den bodengebundenen Rettungssystemen wurde die Flugrettung erst in Österreich etabliert. Mittlerweile wurde aus der Flugrettung ein eigenständiger wichtiger Teil in der Gesundheitsversorgung, der oft die einzig mögliche Antwort auf die zentralen Herausforderungen des Gesundheitssystems liefert. In kurzer Zeit können auf dem Luftweg weite Strecken für kritisch erkrankte oder lebensgefährliche verletzte Patientinnen und Patienten zu den Spezialkliniken überbrückt werden - und das mittlerweile rund um die Uhr. Natürlich gibt es auch im Bereich der eingesetzten Fluggeräte enorme technische Fortschritte. So verwenden wir jetzt z. B. auch Hubschrauber mit Vierachsautopiloten (Schwebeautomatik).


Was war für Sie die größte Herausforderung in Ihrer Karriere als Pilot als auch Geschäftsführer? 

Besonders herausfordernd war im Jahr 2001 die Übernahme der acht Standorte des BMI innerhalb eines halben Jahres, aber auch die Krise in der Finanzierung der Flugrettung, die ab 2012 letztendlich in das derzeitige Setup mit Länderverträgen und der hervorragenden Kooperation mit der Österreichischen Gesundheitskasse geführt hat.


Gibt es einen Einsatz bzw. ein Erlebnis, das Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist? 

Ich glaube, dass da der Tornado im tschechischen Grenzgebiet zu Österreich zu erwähnen ist. Ein derartiges Elementarereignis grenzüberschreitend in der Nacht unter Mitwirkung der österreichischen Leitstellen und Zentrumsspitäler abwickeln zu können, zeigt das perfekte Setup des Flugrettungssytems in Österreich. In dieser Nacht durfte ich den Christophorus 2 fliegen und konnte mich davon überzeugen, wie wichtig laufende Kooperation und Einsatzvorbereitung sind.



Foto: v.l.n.r.: Marco Trefanitz und Klaus Schwarzenberger

Seit Juli liegt die Geschäftsführung der ÖAMTC Flugrettung in teilweise neuen Händen. Herr Trefanitz, Herr Schwarzenberger, wie waren die ersten Monate und auf welche Aufgaben freuen Sie sich besonders?

Trefanitz: Bei der ÖAMTC-Flugrettung hat sich die Doppelspitze, die vorher aus Reinhard Kraxner und mir bestand, bewährt. Daher sind wir bei diesem System geblieben. Klaus Schwarzenberger, der u. a. auf langjährige Erfahrung als Flugretter bei uns zurückblicken kann, hat sich sehr rasch in seinen neuen Aufgabenbereich in der Geschäftsführung eingefunden.

Schwarzenberger: Unsere Zusammenarbeit hat auf Anhieb hervorragend funktioniert. Bei der ÖAMTC-Flugrettung hatten und haben wir eine klare Vision, deren Umsetzung wir auch in der neuen Konstellation vorantreiben: Menschenleben zu jeder Zeit, an jedem Ort und unabhängig vom Wetter zu retten. Die ersten gemeinsamen Schritte in diese Richtung haben wir mit der Erneuerung unserer Flotte bereits unternommen – dieses Programm ist aber noch nicht abgeschlossen und wir haben hier weiterhin eine sehr intensive und fordernde, aber auch wunderschöne Aufgabe vor uns.

Trefanitz: Hier sind Entscheidungen zu treffen, die die Flugrettung für die Zukunft maßgeblich prägen werden. Abgesehen davon freuen wir uns natürlich auf die weiterhin gute Zusammenarbeit und setzen auf die Unterstützung unserer Partner, darunter die Länder und vor allem die ÖGK.


Gemeinsam mit der ÖGK haben Sie Prozesse optimiert und bundesweit vereinheitlicht. Was schätzen Sie besonders an der Zusammenarbeit?

Kraxner: Mit der mittlerweile dritten Auflage der Direktverrechnungsvereinbarung wird die 2015 begonnene enge Kooperation fortgesetzt – wesentlich ist das gegenseitige Vertrauen, das Agieren auf Augenhöhe und das gemeinsame Ziel, in schwierigen Lebenssituationen von Patientinnen und Patienten das Beste für diese erreichen zu wollen.

Trefanitz: Die langjährige und partnerschaftliche Kooperation auf Augenhöhe, das wertschätzende Miteinander, der gemeinsame Wille, Herausforderungen anzunehmen und sich ihnen zu stellen. Und, ebenfalls sehr wichtig: Probleme können beiderseits offen angesprochen werden, um gemeinsam Lösungsansätze zu entwickeln.

Schwarzenberger: Eine derartige Verbindung funktioniert nur, wenn beide Seiten bereit sind, große Anstrengungen in Kauf zu nehmen und wenn Verständnis für die Situation des jeweiligen Gegenübers vorhanden ist. All das schätzen wir ungemein an der Zusammenarbeit.


Welche neuen Entwicklungen kommen auf die Flugrettung in Zukunft zu?

Trefanitz: Wir führen beispielsweise derzeit die ersten Ultraschallgeräte mit KI-Diagnostik-Unterstützung in unserer Flotte ein und statten unsere Hubschrauber flächendeckend mit WLAN zur direkten Kommunikation mit Krankenhäusern aus. Doch nicht nur die Digitalisierung ist ein wichtiges Thema. Wir beschäftigen uns aktuell z. B. mit dem Hubschraubereinsatz bei jedem Wetter sowie die Unterstützung der Flugrettung durch Drohnen. Eine große Rolle – vor allem hinsichtlich Schonung der Ressourcen – spielt im Übrigen die noch bessere Nutzung von Synergien mit den bodengebundenen Rettungsdiensten. Eines ist bei allem Innovationsgeist jedoch sicher: Lebensrettung ist und bleibt Teamarbeit!