Dr.in Evelyn KunschitzDer weibliche Körper wehrt sich besser gegen Viren und Bakterien. Aus medizinischer Sicht sind Frauen, ausgestattet mit 2 X-Chromosomen, das stärkere Geschlecht. Auf diesem Chromosom liegen um die 2.000 Gene, die das Immunsystem und die Gehirnentwicklung beeinflussen.

Diese starke Immunantwort hat jedoch auch eine Schattenseite. So erkranken Frauen vier Mal öfter an Autoimmunerkrankungen. Die Medizin und medikamentöse Behandlungen sind primär auf Männer zugeschnitten, doch Frauen werden anders krank und benötigen oft eine genderspezifische Behandlung.

Die Symptome bei einem Herzinfarkt sind bei Männern und Frauen sehr unterschiedlich. Während Männer typischerweise Schmerzen in der linken Körperhälfte verspüren – das kann ein Ziehen im linken Arm, ein brennender oder drückender Schmerz hinter dem Brustbein sein – verspüren Frauen oft auch andere, diffusere Symptome.

Darunter fallen beispielsweise auch

  • Übelkeit
  • Schmerzen im Bauch oder Rücken
  • Erbrechen
  • Kurzatmigkeit
  • unerklärliche Müdigkeit oder
  • Schweißausbrüche.

Daher kommt es auch häufiger zu Fehlinterpretationen bezüglich akuter Herzinfarkte. Zudem ist die Sterblichkeitsrate bei Frauen mit Herzinfarkt höher als bei Männern (35,7% vs. 32,9%). Außerdem sind Frauen in den großen Herzstudien unterrepräsentiert (ca. ein Drittel Frauenanteil) und werden auch weniger leitliniengerecht behandelt.

Frauen profitieren vor den Wechseljahren von einem schützenden Effekt der weiblichen Geschlechtshormone (Östrogene). Sie regulieren nicht nur den Zyklus und die Schwangerschaft, sondern sind auch an unterschiedlichen Prozessen des Stoffwechsels beteiligt. Sie beeinflussen Entzündungsreaktionen und die Blutgerinnung und sie wirken erweiternd auf die Blutgefäße. Auf diese Weise können Östrogene vor der Bildung von arteriosklerotischen Ablagerungen in den Gefäßen schützen und vor einer koronaren Herzkrankheit bewahren. Nach den Wechseljahren lässt der Hormonschutz jedoch nach: Das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, steigt dann bei Frauen rascher an als bei Männern.

Aber auch junge Frauen sollen das Risiko eines Herzinfarktes ernst nehmen, vor allem wenn sie unter einer Fettstoffwechselstörung leiden, rauchen oder ein hormonelles Kontrazeptivum einnehmen.

Daher ist es wichtig bei unklaren Beschwerden im Thoraxbereich, vor allem wenn sie unter körperlicher oder psychischer Belastung auftreten rasch zu reagieren. Ein EKG und eine Troponinbestimmung sind nach einer ausführlichen Anamnese sie ersten Schritte. Bei unauffälligen Befunden wird bei jüngeren ein Koronar-CT empfohlen und bei älteren eine Echokardiografie und kardiologische Abklärung. Bei positivem Troponin und EKG-Veränderungen bei anhaltenden Beschwerden ist die sofortige Einweisung in eine kardiologische Abteilung notwendig, um zeitgerecht eine Koronarangiografie durchzuführen.

Ein Blick in unsere kardiologische Abteilung im Hanusch-Krankenhaus der ÖGK verrät eines: Es gibt signifikant mehr männliche Patienten. Männer werden mehr als doppelt so oft mit koronaren Herzkrankheiten oder einem akuten Herzinfarkt behandelt. Dies ist unter anderem auf das Yentl-Syndrom zurückzuführen. Dabei handelt es sich um einen bereits in den 1990er Jahren von einer US-amerikanischen Kardiologin geprägten Begriff, der darauf aufmerksam macht, dass Herzinfarkte bei Männern und Frauen unterschiedlich sind. Aufgrund der weniger eindeutigen und vielzähligen Symptome wird der weibliche Herzinfarkt oft spät oder gar nicht erkannt und Frauen erhalten dadurch erst später Hilfe.

Bei einem Herzinfarkt ist jede Minute entscheidend.