Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind für die korrekte Ermittlung des gebührenden Entgeltes in das Lohn- und Gehaltsschema des jeweiligen Kollektivvertrages einzustufen. Was es bei der kollektivvertraglichen Einstufung zu beachten gilt, haben wir für Sie zusammengefasst.
Anspruchslohn
Unter dem Anspruchslohn ist jenes Entgelt (Geld- und Sachbezüge) zu verstehen, auf das die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis heraus Anspruch hat oder das sie bzw. er darüber hinaus auf Grund der Beschäftigung von der Arbeitgeberin bzw. vom Arbeitgeber oder einer dritten Person erhält (zum Beispiel Trinkgelder).
Der Anspruchslohn ist nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen zu ermitteln. Relevant sind primär die seitens der Interessenvertretungen abgeschlossenen Kollektivverträge. Aber auch verschiedene Gesetze (zum Beispiel Entgeltfortzahlungsgesetz) bzw. Verordnungen enthalten Regelungen über Entgeltansprüche. Individualvereinbarungen (Einzelarbeitsverträge) oder Betriebsvereinbarungen können diese Mindestansprüche nicht beschränken, sehr wohl aber Besserstellungen vorsehen.
Mindestentgelt
Der für die jeweilige Branche anzuwendende Kollektivvertrag legt jenes Mindestentgelt fest, das der bzw. dem Beschäftigten jedenfalls zusteht. Ein Unterschreiten dieses Mindeststandards ist nicht zulässig. Ebenso unzulässig ist es (außer der Kollektivvertrag sieht dies ausdrücklich vor), das Mindestentgelt zur Gänze oder auch nur teilweise durch Sachleistungen abzugelten (Geldzahlungsgebot).
Hinweis: Bei einer Unterentlohnung kommt es in der Sozialversicherung innerhalb der Verjährungsfristen (drei bzw. fünf Jahre) zu einer Nachverrechnung der Beiträge samt Verzugszinsen.
Einstufung
Die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer ist auf Grund der im jeweiligen Kollektivvertrag angegebenen Tätigkeitsmerkmale in eine bestimmte Verwendungs- bzw. Beschäftigungsgruppe einzustufen. Maßgeblich ist dabei, welche Tätigkeit sie bzw. er tatsächlich ausübt. Das Ergebnis der Einstufung ist zumindest am Dienstzettel zu vermerken.
Hinweis: Wird die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer im Betrieb unterschiedlich eingesetzt, sodass zwei oder mehrere Verwendungsgruppen in Frage kommen, sind die etwaigen Bestimmungen im jeweiligen Kollektivvertrag zu beachten bzw. ist auf die zeitlich überwiegende Tätigkeit abzustellen.
Vordienstzeiten: Die Höhe des Entgeltanspruches hängt in vielen Kollektivverträgen davon ab, ob die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer Vordienstzeiten in anderen Unternehmen absolviert hat. Auch bestimmte Schulzeiten, erfolgreich abgelegte Lehrabschlussprüfungen etc. können eine Rolle spielen. Es ist zwischen Verwendungsgruppenjahren und Berufsjahren zu unterscheiden.
Verwendungsgruppenjahre: Stellt ein Kollektivvertrag auf Verwendungsgruppenjahre ab, sind nur jene Jahre als Vordienstzeiten anzurechnen, in denen die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer eine zumindest gleichwertige Tätigkeit der Verwendungsgruppe ausgeübt hat. Gleichwertigkeit kann auch vorliegen, wenn die vorangegangenen Tätigkeiten nach einem anderen Kollektivvertrag entlohnt wurden. Eine Begrenzung der anzurechnenden Zeiten ist möglich.
Berufsjahre: Sieht ein Kollektivvertrag die Berücksichtigung von Berufsjahren vor, sind grundsätzlich alle nach dem Angestelltengesetz absolvierten Dienstzeiten - egal in welcher Branche sie erworben wurden - anzurechnen.
Betriebszugehörigkeit: Kommt es für die Einstufung auf die (ununterbrochene) Betriebszugehörigkeit an, zählt nur die im selben Betrieb bisher zurückgelegte Dienstzeit.
Ausland: Vordienstzeiten aus einem Arbeitsverhältnis in einem EU-/EWR-Staat sind im selben Ausmaß wie vergleichbare österreichische Dienstzeiten anzurechnen. Sind laut Kollektivvertrag Vordienstzeiten generell zu berücksichtigen, so müssen auch vergleichbare ausländische "Drittstaaten-Dienstzeiten" herangezogen werden.
Holschuld: Die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber hat die Arbeitnehmerin bzw. den Arbeitnehmer für die korrekte Einstufung in das Kollektivvertragsschema nach den bisherigen Beschäftigungen bzw. Vordienstzeiten zu fragen. Entsprechende Nachweise, wie zum Beispiel Dienstzeugnis oder Versicherungsdatenauszug, sind einzufordern.
Gut zu wissen
Lohn- und Sozialdumping: Bei Unterschreiten des nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührenden Mindestentgeltes kann die Bezirksverwaltungsbehörde eine Geldstrafe verhängen.
Schadenersatz: Auch bei der Ermittlung des Pensionsanspruches spielt die korrekte Einstufung eine Rolle. Führt die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber Beiträge von einem zu niedrigen Entgelt ab, erleidet die versicherte Person mitunter auf Grund nicht wirksam entrichteter Beiträge Nachteile bei ihrer Pension. In diesen Fällen kann unter bestimmten Voraussetzungen ein Schadenersatzanspruch gegenüber der ehemaligen Arbeitgeberin bzw. dem ehemaligen Arbeitgeber bestehen (Oberster Gerichtshof 22.09.2010, 8 ObA 66/09b).
Ist-Entgelt
Erhält die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer ein überkollektivvertragliches Entgelt, spricht man von einem Ist-Entgelt (Ist-Lohn, Ist-Gehalt). Die Differenz zwischen Mindestentgelt und Ist-Entgelt wird als Überzahlung bezeichnet.
Lohnerhöhung
Werden durch einen neu abgeschlossenen Kollektivvertrag nur die Mindestentgelte erhöht, bleiben die Ist-Entgelte so lange unverändert, als sie nicht unter den neuen Mindestbezügen liegen.
Ist-Lohnklausel
Eine Ist-Lohnklausel im Kollektivvertrag bewirkt, dass nicht nur die Mindestentgelte, sondern auch die Ist-Entgelte erhöht werden.
Vorrückungen, Umreihungen
Der jeweilige Kollektivvertrag kann Vorrückungen und Umreihungen vorsehen.
Vorrückung bedeutet, dass nach einer gewissen Betriebszugehörigkeit das Mindestentgelt erhöht wird (zum Beispiel nach zwei Jahren - Biennalsprung).
Bei der Umreihung wird die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer - weil sich etwa der Tätigkeitsbereich geändert hat – in eine neue Verwendungsgruppe eingestuft.
Investieren Sie Zeit in die richtige kollektivvertragliche Einstufung Ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Achten Sie dabei auf Vordienstzeiten und Anrechnungsbestimmungen.
In Zweifelsfragen steht Ihnen Ihre Interessenvertretung gerne beratend zur Seite.
Autor: Mag. Wolfgang Böhm/ÖGK