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Kollektivverträge - Besonderheiten

Veröffentlichung: Magazin DGservice Nr. 2/Juni 2023


Welche Besonderheiten bei der Kollektivvertragsangehörigkeit und der Anwendung eines Kollektivvertrages zu beachten sind, lesen Sie hier.

Fingierte Kollektivvertragsangehörigkeit

Übt eine Arbeitgeberin bzw. ein Arbeitgeber unbefugt (ohne Gewerbeberechtigung) eine wirtschaftliche Tätigkeit aus, führt dies nicht dazu, dass mangels Mitgliedschaft bei einer Fachorganisation der Wirtschaftskammer kein Kollektivvertrag zur Anwendung gelangt. In derartigen Fällen fingiert § 2 Abs. 13 der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) nämlich die Geltung des für diesen Wirtschaftsbereich anzuwendenden Kollektivvertrages (Oberster Gerichtshof - OGH 14.05.1997, 9 ObA 131/97y). Kommt es dadurch zu einer Kollektivvertragskollision (zum Beispiel Berechtigung für das Baumeistergewerbe liegt vor, darüber hinaus werden unbefugt Tischlerarbeiten ausgeführt), gelten die Kollisionsnormen des Arbeitsverfassungsgesetzes.

Hinweis:
Die Bestimmung der GewO 1994 gilt nur dann, wenn die jeweilige Tätigkeit gewerbsmäßig ausgeübt wird. Dies ist dann der Fall, wenn sie selbständig (auf eigene Rechnung und Gefahr), regelmäßig (auf die Absicht der Wiederholung kann geschlossen werden) und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen.

Wenn zum Beispiel ein Arbeitgeber privat Bauarbeiter für den Umbau seines eigenen Wohnhauses beschäftigt, kommt es zu keiner fingierten Kollektivvertragsangehörigkeit, da es sich hier um keine gewerbsmäßig ausgeübte Tätigkeit handelt.

Wirtschaftsbereich mit Kollektivvertrag trifft auf kollektivvertragsfreien Bereich

Hierbei ist zu unterscheiden, ob eine organisatorische Abgrenzung innerhalb des Betriebes besteht oder ob ein Mischbetrieb vorliegt.

Ist Ersteres der Fall, gelangt der Kollektivvertrag nur für den von ihm tatsächlich umfassten Wirtschaftsbereich zur Anwendung. Der organisatorisch klar abgegrenzte, kollektivvertragsfreie Betriebsteil bleibt davon unberührt. Handelt es sich hingegen um einen Mischbetrieb ohne organisatorische Abgrenzung, gilt der vorhandene Kollektivvertrag für den gesamten Betrieb. Es spielt dabei keine Rolle, welchem Betriebszweig (auch wenn es jener ohne Kollektivvertrag ist) die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung zukommt (Verwaltungsgerichtshof 20.02.2008, 2006/08/0268).

Treffen in einem Mischbetrieb mehrere Kollektivverträge auf einen kollektivvertragsfreien Bereich, ist vorab der kollektivvertragsangehörige Bereich mit der maßgeblichen wirtschaftlichen Bedeutung zu identifizieren.

Mischbetrieb - Arbeiterkollektivvertrag trifft auf Angestelltenkollektivvertrag

In einem Mischbetrieb liegt die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung in einem Bereich, für den nur ein Arbeiterkollektivvertrag existiert. Dieser umfasst auf Grund seines persönlichen Geltungsbereiches allerdings nicht die ebenfalls im Betrieb beschäftigten Angestellten. Im Falle einer organisatorischen Trennung der Betriebsabteilungen wäre für die Angestellten auf Grund der vorhandenen Gewerbeberechtigungen ein entsprechender Kollektivvertrag anzuwenden.

Trotz Bestehens eines Mischbetriebes kann der Arbeiterkollektivvertrag den Angestelltenkollektivvertrag nicht verdrängen (OGH 12.09.1990, 9 ObA 194/90). Für die Angestellten entsteht somit kein "kollektivvertragsfreier Raum" - für sie ist der Angestelltenkollektivvertrag des wirtschaftlich untergeordneten Bereiches anzuwenden.

Mischbetrieb - Kollektivvertrag trifft auf Satzung

Kommt es in einem Mischbetrieb zu einer Kollision zwischen einem Kollektivvertrag und einer Satzung, sind die Kollisionsnormen analog anzuwenden (OGH 19.03.2013, 9 ObA 8/13m; OGH 26.11.2013, 9 ObA 91/13t; OGH 30.10.2018, 9 ObA 16/18w).

Ansprechpersonen

Auskünfte zu Detailfragen zu den Kollektivverträgen erhalten Sie bei Ihren Interessenvertretungen. 

Autor: Mag. Wolfgang Böhm/ÖGK