Die Einbringlichkeit von Sozialversicherungsbeiträgen ist für die Finanzierung der gesetzlichen Sozialversicherung maßgeblich. Daher gibt es verschiedene Arten der Haftung. Neben der Dienstgeberin bzw. dem Dienstgeber können auch noch andere Personen zur Begleichung von offenen Beiträgen verpflichtet werden. Nachfolgend geben wir Ihnen einen Überblick, welche Haftungsbestimmungen es gibt und wann sie zur Anwendung kommen.
Vertreterhaftung
Diese lässt die gesetzlichen Vertreterinnen und Vertreter von Personen, die Beiträge schulden (zum Beispiel Vorstand einer Aktiengesellschaft), haften, wenn die Beiträge bei der Primärschuldnerin bzw. beim Primärschuldner auf Grund schuldhafter Pflichtverletzung nicht eingebracht werden können (§ 67 Abs. 10 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG).
Schuldhafte Pflichtverletzungen sind:
- Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträgen,
- Meldeverstöße, die Beitragsausfälle zur Folge haben,
- Ungleichbehandlung von Sozialversicherungsbeiträgen,
- Sozialbetrug und
- Nichtabfuhr von Förderungsbeträgen.
Eine andere Art der Vertreterhaftung enthält § 67 Abs. 3 ASVG. Dieser regelt einen Haftungsdurchgriff auf die Hintergrundperson der "Strohfrau" bzw. des "Strohmannes". Es haftet diejenige "Nicht-Dienstgeberin" bzw. derjenige "Nicht-Dienstgeber", der bzw. dem die wirtschaftliche Gefahr zufällt, zum anderen jene Person, welcher der erzielte Gewinn vorwiegend zufällt.
Betriebsnachfolgehaftung
Wird ein Betrieb übereignet, haftet die Erwerberin bzw. der Erwerber für Beiträge, die die Vorgängerin bzw. der Vorgänger zu zahlen gehabt hätte, für die Zeit von höchstens zwölf Monaten vom Tag des Erwerbes zurückgerechnet. Die Haftung der Vorgängerin bzw. des Vorgängers bleibt zudem bestehen (§ 67 Abs. 4 bis 6 ASVG).
Eine Haftungsminimierung ist möglich, wenn sich die Betriebsnachfolgerin bzw. der Betriebsnachfolger vor dem Erwerb beim zuständigen Versicherungsträger über einen allfälligen Beitragsrückstand erkundigt hat. Dann haftet sie bzw. er nur mit dem Betrag, der als Rückstand mitgeteilt worden ist.
Keine Haftung entsteht, wenn ein Unternehmen aus einer Konkursmasse, im Zuge eines Ausgleichsverfahrens, eines Vollstreckungsverfahrens oder der Überwachung der Schuldnerin bzw. des Schuldners durch Treuhänderinnen und Treuhänder der Gläubigerinnen und Gläubiger erworben wird.
AuftraggeberInnenhaftung
Unternehmen, die die Erbringung von Bauleistungen gemäß § 19 Abs. 1a des Umsatzsteuergesetzes 1994 an ein anderes Unternehmen ganz oder teilweise weitergeben, sind an die AuftraggeberInnenhaftung gebunden. Bauleistungen sind alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Reinigung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.
Das Auftrag gebende Unternehmen haftet für alle Beiträge und Umlagen, die das beauftragte Unternehmen an österreichische Krankenversicherungsträger abzuführen hat, bis zum Höchstausmaß von 20 Prozent des geleisteten Werklohnes (§ 67a Abs. 1 ASVG).
Zusätzlich haftet die Auftraggeberin bzw. der Auftraggeber für die vom Finanzamt einzuhebenden lohnabhängigen Abgaben bis zu fünf Prozent des geleisteten Werklohnes.
Die Haftungsinanspruchnahme setzt voraus, dass gegen die Auftragnehmerin bzw. den Auftragnehmer erfolglos Exekution geführt wurde oder ein Insolvenztatbestand gemäß § 1 Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz vorliegt.
Das Auftrag gebende Unternehmen hat folgende Möglichkeiten, sich von der Haftung zu befreien:
- Das beauftragte Unternehmen wird zum Zeitpunkt der Leistung des Werklohnes in der Gesamtliste der haftungsfreistellenden Unternehmen (HFU-Gesamtliste) geführt.
- Das Auftrag gebende Unternehmen überweist 25 Prozent (20 Prozent Sozialversicherungsbeiträge und fünf Prozent lohnabhängige Abgaben) des zu leistenden Werklohnes als Haftungsfreistellungsbetrag an das Dienstleistungszentrum-AGH.
Weitere Haftungen
An zivilrechtlichen Haftungen existieren unter anderem die Haftung wegen Insolvenzverschleppung (§ 69 Insolvenzordnung), die Gesellschafterhaftung (§ 128 in Verbindung mit § 161 Unternehmensgesetzbuch), die Bürgschaft und die Haftung bei der Arbeitskräfteüberlassung (§14 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz).
Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit besteht für das Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung (§ 153c Strafgesetzbuch – StGB), Sozialbetrug (§ 153d StGB) und organisierte Schwarzarbeit (§ 153e StGB).
Autor: Matthias Berger/ÖGK