Zu Beginn der COVID-19-Pandemie legte die Verwaltungskommission fest, dass pandemiebedingte Telearbeit in einem anderen als dem gewöhnlichen Beschäftigungsstaat zu keiner Änderung der anzuwendenden Rechtsvorschriften führt. Diese vorübergehende Vorgehensweise ist seit 30.06.2022 ausgelaufen.
Aus diesem Anlass hat die Verwaltungskommission eine Auslegungsleitlinie verabschiedet.
Zusammengefasst wurde festgehalten, dass im Bereich der Telearbeit mit den bestehenden europäischen Koordinierungsvorschriften das Auslangen gefunden werden kann. Spezielle darüber hinausgehende Regelungen sind nicht notwendig.
Somit finden künftig auch bei grenzüberschreitender Telearbeit die einschlägigen Bestimmungen der Verordnung (VO) Nr. 883/2004 samt der dazu ergangenen Durchführungsverordnung Anwendung.
Umsetzung der Auslegungsleitlinie
Die Auslegungsleitlinie der Verwaltungskommission gilt grundsätzlich seit 01.07.2022. Durch eine sechsmonatige Übergangsphase wird den Dienstgeberinnen und Dienstgebern der geordnete Umstieg auf die neue Vorgehensweise erleichtert. Spätestens ab 01.01.2023 gelten somit die allgemeinen Koordinierungsregelungen der VO 883/2004.
Im Falle von Telearbeit sind neben dem Territorialitätsprinzip im Wesentlichen die Bestimmungen der VO 883/2004 im Zusammenhang mit Entsendungen sowie der Beschäftigung in mehreren Mitgliedstaaten von Bedeutung.
Territorialitätsprinzip
Grundsatz: Eine Person unterliegt dem Sozialversicherungsrecht jenes Landes, in dem sie ihre Beschäftigung ausübt.
Beispiel 1
- Situation vor der Pandemie: Eine Person wohnt in Österreich und arbeitet für ein deutsches Unternehmen in Deutschland. Unter Bedachtnahme auf das Beschäftigungslandprinzip sind die deutschen Rechtsvorschriften anzuwenden.
- Situation mit Beginn der Pandemie: Pandemiebedingt arbeitet die Person von zu Hause aus. Auf Grund der ursprünglichen Sonderregeln der Verwaltungskommission sind weiterhin die deutschen Rechtsvorschriften anzuwenden.
- Situation seit 01.07.2022: Die Person möchte künftig ausschließlich im Rahmen von Telearbeit von zu Hause aus arbeiten. Unter Bedachtnahme auf das Beschäftigungslandprinzip sind seit 01.07.2022 die österreichischen Rechtsvorschriften anzuwenden.
bis 03/2020 | von 03/2020 bis 06/2022 | seit 07/2022 | |
DN wohnt in: | A | A | A |
DN arbeitet in: | D | A | A |
Sitz des Unternehmens: | D | D | D |
Rechtsvorschriften: | D | D | A |
Entsendung
Grundsatz: Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaates von einem Unternehmen, dem sie gewöhnlich angehört, abhängig beschäftigt wird und für dasselbe Unternehmen auf dessen Rechnung dieselbe Tätigkeit vorübergehend im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ausübt, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des Entsendestaates. Voraussetzung ist, dass die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit 24 Monate nicht übersteigt.
Beispiel 2
Eine Person wohnt in Ungarn und arbeitet für ein Unternehmen mit Sitz in Österreich. Der österreichische Dienstgeber möchte sein Bürogebäude sanieren. Nachdem die Person für die nächsten neun Monate über keinen Arbeitsplatz verfügt, wird vereinbart, dass sie in dieser Zeit zu Hause arbeitet. Welche Rechtsvorschriften sind in diesen neun Monaten anzuwenden?
DN wohnt in: | H |
DN arbeitet in: | A |
DN wird entsendet nach: | H |
Sitz des Unternehmens: | A |
Rechtsvorschriften: | A |
Beschäftigung in mehreren Mitgliedstaaten
Grundsatz: Für eine Person, die eine Beschäftigung gewöhnlich in mehr als einem Mitgliedstaat ausübt (ein Teil als Telearbeit im Wohnsitzstaat und ein Teil als "Präsenzarbeit“ im Staat, in dem das Unternehmen, bei dem die Person beschäftigt ist, den Sitz hat), gelten die Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaates, wenn dort ein wesentlicher Teil der Tätigkeit ausgeübt wird. Ist dies nicht der Fall, gelten die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dem das Unternehmen den Sitz hat.
Beispiel 3
Eine Person mit Wohnsitz in Österreich vereinbart mit ihrer slowenischen Dienstgeberin, drei Tage pro Woche im Büro in Slowenien zu arbeiten. An zwei Tagen pro Woche verrichtet die Person Telearbeit an ihrem Wohnsitz. Welche Rechtsvorschriften sind anzuwenden?
DN wohnt in: | A |
DN arbeitet in: | SLO, A (wesentlich) |
Sitz des Unternehmens: | SLO |
Rechtsvorschriften: | A |
Beispiel 4
Eine Person mit Wohnsitz in Italien vereinbart mit ihrem österreichischen Dienstgeber, vier Tage pro Woche im Büro in Österreich und einen Tag pro Woche von zu Hause aus zu arbeiten. Welchen Rechtsvorschriften unterliegt diese Person?
DN wohnt in: | I |
DN arbeitet in: | A, I (nicht wesentlich) |
Sitz des Unternehmens: | A |
Rechtsvorschriften: | A |
Eine umfassende Zusammenfassung der einschlägigen Bestimmungen der VO 883/2004 finden Sie in unserem Leitfaden "Auslandstätigkeit: Wer wo versichert ist“.
Autor: Mag. Roland Kirchmair/ÖGK