Wird eine Arbeitnehmerin bzw. ein Arbeitnehmer in verschiedenen Staaten tätig bzw. liegt eine Entsendung vor, stellt sich zwangsläufig die Frage, welches Arbeitsrecht auf die Beschäftigung anzuwenden ist.
Die Antwort darauf findet sich im Europäischen Vertragsrechtsübereinkommen (EVÜ) und in der VO 593/2008 (Rom-I-Verordnung). Bei Entsendungen aus und nach Österreich ist zudem die EU-Entsenderichtlinie zu beachten.
Die in ihren Kernbereichen grundsätzlich identischen Regelungen des EVÜ und der VO 593/2008 sind unter anderem auf alle Arbeitsverträge anzuwenden, die eine Verbindung zum Recht eines anderen Staates aufweisen.
Ob es sich dabei um das Recht eines Mitgliedstaates oder eines Drittstaates handelt, spielt keine Rolle. Die Rechtswahl kann auch lediglich für Teile des jeweiligen Vertrages erfolgen.
Überblick bzw. Grundsätze
Arbeitgeberin bzw. Arbeitgeber und Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer können bei einer Tätigkeit mit Auslandsberührung das auf das jeweilige Beschäftigungsverhältnis anzuwendende Arbeitsrecht frei wählen.
Dies ist aber dann nicht möglich, wenn alle Sachverhaltselemente der Beschäftigung in ein und demselben Staat liegen. Trifft dies zu, kann keinesfalls von den in diesem Staat gültigen Bestimmungen, die nach dem jeweiligen nationalen Recht keiner vertraglichen Disposition unterliegen, abgegangen werden.
Die freie Rechtswahl muss ausdrücklich erfolgen oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages bzw. aus den Umständen des Falles ergeben.
Treffen die Parteien keine Rechtswahl, unterliegt der Arbeitsvertrag entweder
- dem Recht des Staates, in dem oder von dem aus die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer in Erfüllung seines Vertrages gewöhnlich seiner Arbeit nachgeht (selbst wenn sie bzw. er vorübergehend in einen anderen Staat entsendet wird), oder
- dem Recht des Staates, in dem sich die Niederlassung befindet, die die Arbeitnehmerin bzw. den Arbeitnehmer eingestellt hat, sofern diese bzw. dieser nicht gewöhnlich in ein und demselben Staat arbeitet.
Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweisen, dann ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.
Nationale Regelungen für die Entgeltfortzahlung bei Krankheit/Unglücksfall bzw. Arbeitsunfall/Berufskrankheit fallen laut EuGH-Judikatur unter den sachlichen Anwendungsbereich der VO 1408/71 bzw. VO 883/2004.
Grenzen der freien Rechtswahl
Die freie Rechtswahl darf nicht dazu führen, dass der Arbeitnehmerin bzw. dem Arbeitnehmer jener arbeitsrechtliche Schutz entzogen wird, den sie bzw. er ohne Rechtswahl gehabt hätte.
Das bedeutet, dass auch bei freier Rechtswahl der durch zwingende Bestimmungen normierte arbeitsrechtliche Standard nicht unterschritten werden darf, über den die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer an ihrem bzw. seinem gewöhnlichen Arbeitsort oder der sie bzw. ihn einstellenden Niederlassung verfügt. Es ist somit stets ein Günstigkeitsvergleich anzustellen.
Eingriffsnormen
Eine weitere Grenze findet die freie Rechtswahl durch sogenannte Eingriffsnormen. Darunter sind im öffentlichen Interesse eines Staates oder einer Staatengemeinschaft bestehende nationale als auch internationale Vorschriften zu verstehen, die auf private Arbeitsverhältnisse einwirken.
Eine Definition bzw. Aufzählung dieser zwingend einzuhaltenden Vorschriften befindet sich weder im EVÜ noch in der VO 593/2008.
Zu beachtende nationale österreichische Eingriffsnormen sind zum Beispiel das Arbeitszeitgesetz, das Urlaubsgesetz, das Arbeitsruhegesetz sowie das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz. Vorstellbar ist aber auch die Einhaltung von zwingend vorgesehenen nationalen Vorschriften über das gebührende Mindestentgelt.
Entsenderichtlinie
Zusätzlich zu den vorstehenden arbeitsrechtlichen Kollisionsnormen ist bei Entsendungen die Entsenderichtlinie zu beachten. Hierbei handelt es sich um eine internationale Eingriffsnorm des EG-Rechtes. In Österreich wurde diese Richtlinie im Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) umgesetzt. Konkret beinhaltet das LSD-BG folgende Regelungen:
Entgeltschutz nach § 3 LSD-BG
Bei einer gewöhnlichen Beschäftigung einer Arbeitnehmerin bzw. eines Arbeitnehmers in Österreich durch eine Arbeitgeberin bzw. einen Arbeitgeber ohne Sitz in Österreich besteht Anspruch auf kollektivvertragliches Entgelt, welches am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern gebührt. Hierbei handelt es sich um einen allgemeinen Entgeltschutz. Ob eine Entsendung vorliegt, spielt keine Rolle.
Entsendung nach Österreich
In diesem Fall besteht ebenfalls Entgeltschutz nach § 3 LSD-BG. Der Urlaubsanspruch für die Dauer der Entsendung ist nach dem österreichischen Urlaubsgesetz zu bemessen, sofern das Urlaubsausmaß nach dem Recht des entsendenden Staates geringer ist.
Bei einer Entsendung sind unbeschadet des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Rechtes zudem die kollektivvertraglichen Arbeitszeitregelungen zu beachten.
Entsendung aus Österreich
Bei einer Entsendung aus Österreich bleibt der gewöhnliche Arbeitsort im Inland. Das österreichische Arbeitsrecht ist (sofern keine andere Rechtswahl getroffen wird) grundsätzlich weiter anzuwenden.
Dies gilt auch für die jeweiligen Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen. Eine abweichende Rechtswahl ist nur dann wirksam, wenn diese die Arbeitnehmerin bzw. den Arbeitnehmer günstiger stellt. Zudem sind das Arbeitsrecht des Tätigkeitsstaates bzw. allenfalls bestehende ausländische Eingriffsnormen sowie die Entsenderichtlinie zu berücksichtigen.
Weitere Auskünfte zu diesem Themenkomplex erteilen die jeweils zuständigen Interessenvertretungen (Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer etc.).